Zitat

"Unkraut nennt man Pflanzen,
deren Vorzüge noch nicht erkannt worden sind."
(Ralph Waldo Emerson
amerikanischer Schriftsteller und Philosoph)

Samstag, 22. Mai 2010

Die "Merkwürdigkeiten" des Lebens- ein Buch von Ulrike-Amanda Herzog | ADS ADHS ..


Die Autorin beschreibt ihre Empfindungen bei der Suche nach dem Sinn des Lebens. Sie hat ADHS und fragt sich warum sie seit 51 Jahren immer noch in einer merk-würdigen Wirklichkeit lebt.



Vorab erstmal ein Gedicht der Autorin:

"Mein Leben empfinde ich, nicht Du
und ich berühre es nicht, wenn ich es nicht fühlen kann
wie ich es empfinde
und Du berührst mich nicht, wenn Du nicht fühlen kannst
wie Du es empfindest
Befrei dich von mir
und ich befreie mich von Dir
damit Du fühlst, was Du empfindest
und ich fühle, was ich empfinde
damit wir das Leben gemeinsam berühren können
Du in Deiner und ich in meiner Wirklichkeit."

Kostprobe aus dem Buch:

aus "Merkwürdigkeiten des Lebens", von Ulrike- Amanda Herzog

Vor dem Leben steht der Struwwelpeter mit den Figuren, die er zwar empfindet, aber nicht fühlen kann. Das Leben bezieht Stellung und ist bereit, ihnen zu erklären, wer sie sind und was ihre Aufgabe ist.
Links neben dem Struwwelpeter steht die Figur, die mit dem Feuer spielt, rechts die, die ihre Suppe nicht essen will. Hinter ihnen machen drei schwarze Figuren ihren Schabernack, daneben weint eine Figur um ihre beiden Daumen und eine andere liegt stöhnend vor Schmerzen auf der Krankenbahre. Wir sagen nichts ohne unsere Anwälte rufen sie im Chor. Anwaltsbüro Angst mit seinen besten Mitarbeitern Hass, Neid, Gier und Wut stehen ihnen in dieser Handlung beiseite.
Es steht geschrieben, dass alle Figuren, ohne Ausnahme, aufmerksam zu sein haben. Das Leben erhebt sich und spricht: „Die Figuren, die hier vor mir stehen, erhalten mit ihrer Energie den Struwwelpeter. Heute steht er hier mit seinem verfilzten langen Haar, in denen sich Unmengen von Parasiten tummeln. Seine Fingernägel zerkratzen nicht nur ihn selbst, sondern auch die anderen, die sich ihm nähern.“
„Nein, der Struwwelpeter und seine Figuren sind nicht schuldig,“ ruft ein Mitarbeiter des Anwaltsbüros Angst. „Die anderen waren es, die sie zu dem gemacht haben, was sie sind. Sie haben immer nur die Liebe gesucht, aber nirgends gefunden.“
„Wie wahr, wie wahr,“ antwortet das Leben. „Der Weg zur Liebe ist voller Hindernisse. Der, der seine Suppe nicht essen will und die die mit dem Feuer spielt, setzen ihr Leben aufs Spiel, weil sie die Erinnerung an ihre Empfindungen suchen. Die, die mit dem Feuer spielt, hat Angst vor dieser Erinnerung und zündet sich an, bis sie zu Asche wird. Der, der seine Suppe nicht isst, möchte sich erinnern, beraubt sich jedoch selbst der Nahrung und kann sich nicht erinnern. Mit dem Feuer des Geistes sind die Empfindungen verbrannt und ohne Suppe bekommen sie keine Kraft. Im Namen der Evolution möchte ich Dir, die mit dem Feuer spielt, raten, dass Du dein außer Kontrolle geratenes Feuer nicht an Deine Nachkommen weitergibst. Bedenke, dass es Deine Empfindungen verbrennt, aber sorgsam behütet, kann ein Feuer Deine Kinder wärmen und erhellen.“ Dann wandte sich das Leben an den, der seine Suppe nicht isst und sprach: „Bewege Dich und suche Dir dein Rezept für die Suppe. Erwarte aber nicht, dass sie auch den anderen schmeckt, und zwinge Deine Kinder nicht dazu, sie zu essen.“
„Reich ist der, der sich erinnert und seine Empfindungen nicht verbrennt.“ „Reich ist der, der für seine Suppe sein eigenes Rezept hat und seine Empfindungen fühlen kann.“
Die Vertreter des Anwaltbüros schweigen. Was sollen sie dem auch entgegensetzen. Stattdessen meldet sich die Figur ohne Daumen zu Wort. Mit weinerlicher Stimme fragt sie das Leben, was ihr vorgeworfen wird: „Ich entfache doch kein Feuer und esse meine Suppe.“
Das Leben schaut traurig auf die Figur ohne Daumen und antwortet: „Du hast verlernt, Dich zu erinnern. Als du es noch konntest, wurde es Dir verboten und heute verbietest Du es Dir immer noch. Du empfindest, wie ein Kind und lebst versteckt hinter der Maske eines Erwachsenen. Dort verspielst Du Deine Empfindungen. Du steckst mit deinen großen Füssen in Schuhen, die Du als Kind getragen hast, und Dein gestrickter Pullover ist viele Nummern zu klein. Nicht nur die Daumen hat der Schneider dir genommen, nein, er hat Dich in die Welt geschickt mit einer viel zu engen und kurzen Hose. Und so wanderst Du mit zu klein gewordenen und lächerlichen Kleidern auf dem Pfad einer längst vergangenen Kindheit. Ich rate Dir, stricke Dein Leben neu, suche Dir Schuhe, in die Deine großen Füße passen, und zieh Dir eine Hose an, die weder zu eng noch zu kurz ist. Erst dann wirst Du Deine Daumen wieder fühlen und bewegen können. So gehe hin und lerne, Dich zu erinnern.“
Die Vertreter des Anwaltsbüros schauten sich betroffen an und schwiegen. Da hatten sie sich wochenlang auf diesen Prozess vorbereitet und jetzt war all ihre Arbeit überflüssig. Keine Strafe und Verurteilung. Sie verstanden die Welt nicht mehr.
Die auf dem Krankenbett liegende Figur wimmerte vor Schmerz und wendet sich mit leiser Stimme an das Leben: „Du siehst doch, wie ich leide. Was habe ich Böses getan. Ich war doch nur schneller als die anderen und habe sie geschlagen, bevor sie mich schlagen konnten.“
„Ja“, antwortete das Leben. „Du hast so viel Angst vor den Erinnerungen, dass Du Dich nicht traust, hinzuschauen. Jetzt liegst Du hier und darfst den Schmerz, der Dir als Kind zugefügt wurde und den Du später an andere weitergegeben hast, zum wiederholten Male erleben. Erinnere Dich, wie weh es tat, als Deine Empfindungen erschlagen wurden. Fühle es. Schau Dich an, höre Dir zu und berühre das Leben. Sonst bleibst Du allein und stirbst in Deiner Einsamkeit. Habe Mut zur Angst und befreie Dich.“
Nun waren die drei geschwärzten Figuren an der Reihe. Bevor das Leben zu ihnen sprechen kann, verteidigen sie sich mit den Worten: „Hören wir nicht auf das, was uns gesagt wird und halten die Spielregeln ein. Was ist daran falsch, wenn wir die, die nicht zu uns gehören, auslachen? Wir sind gerecht zu denen, die aus unseren eigenen Reihen kommen.“
Und das Leben erwidert ihnen darauf: „Tugendhaft und fromm, aber auch hochmütig und stolz. Wer sich über mich stellt, verrät mich und lacht auch mich aus. Seid mutig und begegnet denen, die Euch fremd sind. Ihr werdet sowohl mir als auch Euch selbst ins Gesicht schauen.“
Der Struwwelpeter, der sich hinter der Fassade und unter den geraden Scheitel so vieler Menschen verstecken muss, sieht traurig aus. „Darum will keiner mit mir spielen,“ jammert er leise vor sich hin. „Und das alles nur, weil die Figuren, die mich am Leben erhalten, nicht hinschauen und fühlen. Was kann ich nur tun, damit sie aufwachen? Wer kann mir helfen?“
„Du bist unbewusst“, antwortet ihm das Leben. „Je mehr Deine Figuren unbewusst bleiben, desto gruseliger siehst Du aus. Erst wenn sich die Figuren entschließen, ihre Empfindungen zu bewerten, können sie sich fühlen. Und wenn sie sich fühlen und über ihre eigene Dummheit lachen, werden Deine Haare und Deine Fingernägel ordentlich geschnitten sein. Deine Figuren haben von mir die Freiheit bekommen, Fehler zumachen, um den Unterschied zwischen Gut und Böse zu erkennen. Nun ist es an der Zeit, dass die großen Menschen Dich und Deine Figuren kennenlernen, damit sie durch ihre Kinder befreit werden.“
Drei Figuren waren noch nicht aufgetaucht. Hans, guck in die Luft, der Zappelphilipp und der fliegende Robert. Als Erster erscheint Hans, guck in die Luft. Triefend nass tritt er vor das Leben. „Ich bin vom Weg abgekommen,“ entschuldigt er sich schüchtern. Das Leben lächelt und sagt: „Du musst auf Deine Füße und den Weg schauen und nicht in den Himmel. Suche Dir Begleiter, lasse Dich führen und nicht von Deinen Träumen verführen. Erst dann kannst Du mich berühren.“
„Da hast du ganz recht,“ ruft da der Zappelphilipp vorlaut. Auch er war zu spät gekommen, hielt es aber nicht für nötig, sich zu entschuldigen.„Ich weiß überhaupt nicht, was ich hier soll?“ Während der Zappelphilipp spricht, läuft er aufgeregt umher und reißt einen Aktenordner vom Tisch. Er ist nicht zu bändigen.
Das Leben lacht und sagt; „Anstrengend bist Du schon, aber mir blieb keine andere Wahl, als Dich in den Menschen zu erwecken. Du hast es nicht einfach, wenn die anderen sagen: „Du bist krank. Glaub ihnen nicht, denn sie haben nur Angst vor ihrem eigenen Spiegel. Lass Dich nicht aufhalten, stelle Fragen und suche die Antworten in Dir selbst.“
Das Leben erhebt sich und wendet sich nun an die Anwesenenden. „Der fliegende Robert wird nicht kommen. Er ist in den Himmel geflogen, denn er will hier auf der Erde nicht sein. Kinder, die mit dieser Figur leben, werden Autisten genannt. Je höher der Robert mit seinem Regenschirm fliegt, desto weniger wird es den Eltern gelingen, ihn zu berühren. Er ist ein Spiegel, der zeigt, wie weit sich die Menschheit von ihrem Erdendasein und mir entfernt hat und immer mehr die Beziehung zu ihrer bindenden Aufgabe zu leben verliert.“ ...........

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